Illusion

Das Universum von ILLUSION beruht auf wahren Begebenheiten. Es beruht auf unserer Wirklichkeit – oder was wir dafür halten. 
„Inszenierung eines künstlichen sozialen Umfeldes um eine Einzelperson oder Täter-
gruppe“ – so nennt sich im Amtsdeutsch, was die deutsche Justiz und deren Strafverfolgungsapparate (LKA, SEK und MEK) professionell planen und durchführen. 
In dieser hermetisch abgeschlossenen Welt durften Drehbuchautor Andreas Kanonenberg und ich recherchieren. Jahre hat es gedauert, um das 
Vertrauen eines richtigen ermittelnden Staatsanwalts für Organisierte Kriminalität (OK) zu gewinnen. Er steht uns als Berater (und auch als Türöffner) für unsere Recherche zur Verfügung.
Außerdem beraten uns ein Vorsitzender Strafrichter am Bundesgerichtshof a.D., ein 
ehemaliger Agent des BND, eine leitende Angestellte im Sozialreferat München für 
Migration und Integration, sowie ein Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH), befasst mit Asyl- und Flüchtlingsfragen. 
Die Ziel-Personen (oder unbedarfte Menschen in ihrem Umfeld ) würden nie bemerken, dass sie sich mitten in einer vom Staat gelenkten Inszenierung befinden. Handys, Überwachungs-
kameras, Fitnessuhren, Kreditkarten, Navigationssysteme, Autoschlüssel, Babyfone – die Bekämpfung des organisierten Verbrechens ist heute allumfassend. Mittlerweile ist es möglich, eine neue  Realität beliebig neu zu erschaffen.

Es ist eine Geschichte, die so noch nie erzählt worden ist und die mich nicht mehr loslässt.

Auch meine Heimatstadt München sehe ich seit diesen Recherchen mit neuen Augen. Hinter den schönen Fassaden tun sich ungeahnte Abgründe auf: München gilt als die 
sicherste und sauberste Stadt Deutschlands. Dieses Image wird von Politik und Gesellschaft sorgfältig gehegt und gepflegt. Auch deshalb wird die organisierte Kriminalität von der Bevölkerung gar nicht wahrgenommen. 

Und doch ist sie in München so präsent wie nie zuvor. Denn in der Isarmetropole gibt es Geld, viel Geld. Wenn hier hohe Summen den Besitzer wechseln, ist das ein alltäglicher 
Vorgang. Unzählige Briefkastenfirmen und noch mehr Spekulationsobjekte existieren in dieser Stadt. Und die Mafia sitzt mitten drin.   
Der neueste Trend der Mafia für ihre Geldwäsche sind Galerien. In keiner anderen 
Branche wird der Wert einer Ware so subjektiv beurteilt wie auf dem Kunstmarkt. Es ist nicht nur eine Welt des schönen Scheins, sondern auch ein Reich der perfekten Tarnung – speziell in München. Die hohen Summen an Schwarzgeld, die es zu waschen gilt, verdient die Mafia unter anderem mit dem Schmuggel von Flüchtlingen. Es ist ihr zurzeit lukrativstes Geschäft.
Flüchtlinge bezahlen hohe Geldbeträge für ihre Flucht nach Europa – vorab. Sie 
werden auf engstem Raum zusammenpfercht, das bedeutet viel Umsatz auf wenigen Quadratmetern. Für die Mafia sind Flüchtlinge Ware, die niemand bestellt hat. Und die niemand erwartet. Es ist ein zynisches und perfides Geschäft: Die Mafia rechnet nicht damit, dass diese Menschen Europa lebend erreichen. Tote Flüchtlinge haben für sie den Vorteil, dass sie keine Zeugen mehr sein können; Zeugen, die über die Strukturen der Schlepper-Mafia berichten könnten. Im Moment werden viele Prozesse gegen Schlepperbanden angeschoben, die in den nächsten Jahren diese Abgründe an die mediale Oberfläche spülen werden.

Unsentimental, realistisch und hart – so stelle ich mir die Tonalität dieser Serie vor. Es ist der Kampf des Staats gegen die Mafia. Johanna Baur gegen Roberto Saviano und Ludwig Egger. Mit dem ungewöhnlichen dramaturgischen Kniff, den Gejagten zur Hauptfigur zu machen und dessen Wirklichkeit nach und nach zu demontieren, laden wir den Zuschauer ein zu einem Spiel mit den Perspektiven. Und den Realitäten. 

Das ist die Welt von ILLUSION – eine Welt, in der nichts ist, wie es scheint.

Carsten Meyer-Grohbrügge